Unser Leitbild …5.8.2018
Wer heute in eigener Verantwortung in das soziale Leben eingreifen und darin etwas bewirken, das heißt etwas unternehmen will, muss solches Tun mehr als noch vor wenigen Jahren vor dem gesellschaftlich wacher gewordenen Bewusstsein der Menschen dieser Gegenwart rechtfertigen und verantworten können. Er darf nicht mehr nur uneingeschränkt seinem inneren Antrieb, seiner nur persönlich verstandenen »Berufung« folgen; er sollte vielmehr dartun können, dass seine Initiative, sein Unternehmertum, eine erforderliche Antwort ist auf Fragen, die die Gesellschaft vernehmlich gestellt hat, dass er auf einen Bedarf antwortet, den er nicht selbst erst künstlich geweckt hat; mit anderen Worten: er muss für andere – aber unter eigener Verantwortung – tätig sein, arbeiten und helfen wollen. Alles Streben nach nur persönlicher Befriedigung – sei es in weltflüchtigem Künstlertum oder in selbstbezogener, herodischer Machtausübung – wird zunehmend von einer diesen Erscheinungen gegenüber wacher gewordenen Gesellschaft als nicht weiterführend erkannt und abgelehnt.
Wer das Unternehmerwirken der Gegenwart aber kritisch prüfen will oder sich selbst prüft, ob er als Einzelner oder gemeinsam mit anderen zu solchem Wirken berufen ist, der darf nicht nur fragen, ob die Ziele des unternehmerischen Wirkens nur persönlicher Art sind oder ob sie heilsam für andere zu sein scheinen; er muss sich auch mit den Methoden des unternehmerischen Tuns befassen. Denn Ziel und Methode sind aufeinander bezogen, bedingen sich gegenseitig. Niemand wird auf alten Wegen, mit überholten Methoden zukünftige, heilsame Ziele wirklich erreichen können.
Von sinnvollen Zukunftszielen selber kann in inhaltlichem Sinne hier nicht gehandelt werden – sie sind das Ureigenste des Unternehmerwirkens und müssen jeweils selbst gefunden werden. Es soll … vielmehr umrissen werden, welcher methodischen Voraussetzungen modernes geistiges Wirken bedarf, welche Qualitäten unternehmerischen Wirkens im Einzelnen nötig sind, was zur Rechtfertigung modernen Unternehmertums zu fordern ist – kurz, welche Wirkensqualitäten ein Unternehmer, eine Unternehmergruppe besitzen muss.
Als Unternehmer werden dabei alle angesprochen, die aus Zeitgegebenheit und Zeitnotwendigkeiten heraus sich Zielsetzungen in eigener Verantwortung selber stellen und dabei fähig und vermögend wie willens sind, sie so auch durchzuführen. Dies kann allein oder in Gemeinschaft mit anderen Menschen geschehen – ja, das gemeinschaftliche Aufgreifen von unternehmerischen Aufgaben scheint gegenüber dem »Einzelkämpfer« alter Art wohl die zukünftigere Form zu sein. Dieser Unternehmerbegriff erfasst damit alle Unternehmer mit industriellem Aufgabenbereich, aber auch alle unter eigener Aufgabenstellung Handelnden im Bereich des Bildungswesens oder der Künste; auf überkommene ständische Differenzierungen – etwa: die Unternehmer der »Wirtschaft« und die Unternehmer des »Geisteslebens« – kann dabei verzichtet werden.
Elemente einer sozialen Baukunst. Aus Der Mensch in der Gesellschaft. Die Dreigliederung des sozialen Organismus als Urbild und Aufgabe. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1977.